Immer zwei von einer Sorte...

Die Rollen der Gesellschaft transportieren sozusagen die ‚Grammatik des Sozialen‘. Sie sind oft komplementär angelegt, bezogen auf ein Gegenstück, und bezeichnen ein hierarchisches Paar-Verhältnis, wie etwa zwischen Lehrer/Schüler- Eltern/Kind – Künstler/Zuschauer – Aktivist/Unterstützer – Polizist/ Verbrecher - Richter /Angeklagter – Anführer/Anhänger – Journalist/ Leser – Verkäufe/Käufer – Pfarrer/ Glaubender – Arzt/Kranker – Banker/Investor – Gerichtsvollzieher/ Gläubiger – Aggressor/Opfer usw.Das eine gibt es dialektisch ohne das andere nicht, so dass wir den Anderen, indem wir eine dieser Rollen annehmen, automatisch in eine Gegenposition bringen. Die strukturelle Verschränkung zweier Rollen und mit ihnen ihr Status verfestigen sich in der Interaktion, doch dies ist niemals eine monokausale Beziehung, sondern mindestens eine doppelschichtige, da auf das Rollenpaar weitere soziale Dimensionen einwirken.

 

Rollen werden sowohl durch die direkten gesellschaftlichen Erwartungen bestimmt, die über Bezugspersonen an den Positionsinhaber herangetragen werden, als auch durch auf diese Struktur einwirkende Einflüsse, die sich oft der Kontrolle entziehen. Beide Ebenen der Komplementarität ermöglichen dem Positionsinhaber, durch seine Rollengestaltung und die Interaktion mit seinen Rollenpartnern und Bezugsgruppen in bestimmten Situationen das Rollenverhalten gemeinsam zu gestalten und langfristig die Definition der Rolle in der Gesellschaft zu beeinflussen. Komplementäre Rollenpaare wie Chef-Angestellter, Arzt – Patient usw. enthalten klar festgelegte Interaktionsmuster. Rollenkonformes Verhalten ermöglicht den Anderen eine Entlastung bezüglich der Erwartung an Anpassung und mögliche Entscheidungen, die getroffen werden. Damit geraten sie nicht in Widerspruch mit anderen Rollen. Hierarchisch aufeinander bezogene Rollen sorgen für Klarheit, weil sie Normen mit Personen verbinden, an denen man sich orientieren kann.

 

Planet

Rollenpaar

Dynamik

Dichotomie

Negativrolle

Merkmal

Sonne

Mond

Leitbild

Beschützer

Zentriert

Peripher

Über-Ich

Es

Narzist

Co-Abhängiger

Selbstbezogenheit

Gefühlsduselei

Mars

Venus

Macher

Gesellige

Impulsiv

Annehmend

Natur

Kultur

Macho

Softie

Angeberei

Passivität

Saturn

Jupiter

Strukturierer

Expandierer

Begrenzend

Erweiternd

Pragmatismus

Idealismus

Kontrollfreak

Gutmensch

Erbsenzählerei

Übertreibung

Uranus

Neptun

Einzelgänger

Helfer

Unabhängig

mitfühlend

Individuum

Kollektiv

Querulanten

Träumer

Unberechenbarkeit

Selbsttäuschung

Merkur Pluto

Intellektueller

Gatekeeper

Allgemein

speziell

Mainstream Underground

Sensationstgeier

Geheimtuer

Unkonzentriertheit

Ränke

Chiron

Lilith

Experte

Libertin

Rational

intuitiv

Wissen

Konsens

Pedant

Eklektiker

Überrationalisierung

Verallgemeinerung

 

 

Die beiden Komplementäre gehören jeweils zusammen. Die Wirkung des einen kann ohne den anderen nicht beschrieben werden. Das Urprinzip des Unbewussten, triebhaften des Mondes kommt automatisch mit der bewusstseinsbildenden Kraft der Sonne zusammen, der impulsive Aktionismus des Mars bedingt die annehmende, hingebende Natur der Venus, das Prinzip der Konzentration und Reduzierung des Saturn führt mit den Bestrebungen des Jupiter nach Expansion und Beschleunigung zum natürlichen Auf und Ab aller Entwicklung. Wenn wir Jupiter sagen, meinen wir immer auch Saturn mit. Unausgesprochen schwingt bei der Erwähnung der Eigenschaften des Jupiters, Loyalität, Großzügigkeit und Toleranz immer auch ein saturnischer Anteil mit, der beschränken möchte, bei der lieblichen Venus ein straffer Mars und bei der selbstbewussten Sonne auch ein kleinlauter Mond. Auch die neuen Planeten bilden Komplementäre aus. Während Uranus für das Individuum steht, ist Neptun das Symbol des Kollektivs. Beides bedingt einander. Es gibt kein Kollektiv ohne Individuen und keine Individuen ohne Kollektiv. Selbst wenn ein Horoskop nur aus Neptunanteilen besteht, wird der Eigner individuelle Neigungen haben, ja diese werden sogar besonders stark ausgeprägt sein, weil sie durch das Fehlen herausgefordert werden.

 

Sonne und Mond sind zwei Seiten derselben Medaille. Im Löwen steht die Sonne für die Macht des Herzens, im Krebs steht der Mond für die Sensibilität des Bauches und der Intensität von Gefühlen. Dieses „Urpaar“ finden wir in vielen Mythen und Volkserzählungen in unterschiedlicher Geschlechtszuweisung wieder. Der Widerspruch mag damals nicht gravierend erschienen sein, da die Götter oft hermaphroditisch beschrieben wurden und Attribute beider Geschlechter trugen.

 

Die langsamsten und am besten zu beobachtenden Umläufe diejenigen von Jupiter (12 Jahre) und Saturn (30 Jahre) und alle Konstellationen mit ihnen leicht im Voraus zu berechnen. Der 60 Jahre Zyklus (5xJupiter, 2x Saturn) war grundlegend für die babylonischen Astrologie und die Berechnung der Generationsaspekte. Die historisch gewachsene Komplementarität Jupiter/Saturn prägte auch das mittelalterliche Denken im Zusammenhang mit Wachstum und Stagnation. Günstige Zeiten sind die, wo Jupiter in einem „weichen“ Aspekt zu Venus und Mond steht, ungünstige Zeiten solche, wo Saturn in einem „harten“ Aspekt zu Mars und Sonne erscheint. Die Periode von 20 Jahren, in denen sich Jupiter und Saturn wiederbegegnen, bzw. die 10 Jahre von Opposition zu Konjunktion war der zentrale Zyklus im Zusammenhang mit dem 10er System, das ja erst im 8. Jahrhundert nach Erfindung der Null durch die Inder und Araber weiterentwickelt wurde.

 

Das Zusammenspiel von Mars und Venus ist von seinem Umlaufbahnen schwer berechenbar und somit in Einklang mit kosmologischen Ereignissen zu bringen. Die genaue Umlaufbahn von Mars war wegen seiner zur Erde exzentrischen Umlaufbahn bis zu Keppler sehr schwer zu berechnen. Auch die Bahn von Venus ist nicht einfach zu kalkulieren, weil sie bei ihrer Rückläufigkeit nicht hoch am Himmel steht, wie die andere äußeren Planeten, sondern wie Merkur vor der Sonne. In der Biologie hat sich bis heute ihre Symbolik für männliche und weibliche Eigenschaften erhalten und die einseitige Zuordnung zu Mars=aktiv und Venus=passiv verstärkt. Denken wir uns die Venus als das weibliche, bzw. ordnende Prinzip im Mann (Anima) und den Mars als die aktive, bzw. impulsgebende Kraft in der Frau (Animus), dann können wir diesen Gegensatz überwinden und passiv und aktiv als sich gegenseitig bedingend zusammendenken.

 

Uranus und Neptun waren den Alten unbekannt, aber als Urpaar im Tierkreis schon angelegt Sie bilden wieder ein Pärchen perfekter Synchronizität, die Umlaufzeit des Neptun beträgt ziemlich exakt das Doppelte, wie die des Uranus. Wenn Neptun 14 Jahre in einem Zeichen verweilt, so steht Uranus für 2x7 Jahre in zwei Anderen. Damit ist ein weiterer Generationsrhythmus vorgegeben.

 

Es liegt für mich nahe, auch Lilith und Chiron als Planetenpaar zu betrachten, da sie sich in den letzten 20 Jahren gegenüber vielen anderen modernen Punkten im Horoskop durchgesetzt haben. Ihre Regentschaft von Chiron über das Zeichen Jungfrau und Lilith über das Zeichen Waage ist das Abbild der Komplementarität moderner, emanzipatorischer Kräfte die einerseits in die Richtung Wissen, Verstehen gehen (Chiron, Jungfrau), andererseits in die Richtung Mitbestimmung und Ganzheitlichkeit (Lilith, Waage). Alle Pärchen liegen im Tierkreis nebeneinander bis auf eine Ausnahme: Merkur und Pluto. Sie bilden einen Bruch der Symmetrie, durch den eine Mischung der aktiven und passiven Qualitäten möglich ist. Merkur ist trotz seines seltenen Sichtbarkeitszyklus schon in der Antike bekannt gewesen und als einer der „sieben heiligen“ Götter der Namensgeber des Mittwochs, wie es im französischen auch noch durchklingt (Mercredi). Er kann sich zwar nicht weiter als 28 Grad von der Sonne entfernen, doch führt er ein sehr wandelbares Eigenleben. Seine dreimal im Jahr stattfindenden Rückläufigkeitsphasen sind in der Astrologie berüchtigt und es heißt, dass während dieser Zeit Geschäfte und Gedanken besser reflektiert werden können.

 

Pluto ist im Jahre 2006 der offizielle Planetenstatus aberkannt worden. Dabei wurde nur seine Größe, bzw. Kleinheit berücksichtigt, nicht aber, dass es das einzige Objekt im ganzen Planetensystem ist, das aus einem Doppelgestirn besteht, zwei umeinander rotierenden Gesteinsformationen mit einer speziellen Dynamik. Der Mond von Pluto, Charon hat ein Zehntel der Masse des Hauptgestirns und ist damit eigentlich kein Mond mehr. Diese Art von Gegenrotation erzeugt ein besonderes Energiefeld. Merkur und Pluto sind zwei sonderliche Planeten. Der eine steht sehr nahe bei der Sonne, so nahe, dass er von ihrer Hitze fast verbrannt wird, der andere extrem weit außerhalb im Planetensystem, so weit, dass das Licht der Sonne ihn nur noch zu einem winzigen Bruchteil der Erdeinstrahlung erreicht. Beiden gemeinsam ist, dass sie im Gegensatz zu allen anderen Planeten aus der Ekliptik herausragen und dass sie viel kleiner sind als die anderen Planeten. Trotz oder gerade wegen dieser Besonderheiten gebührt ihnen ein vollständiger Platz im Tierkreis, ja Pluto wird von vielen Astrologen als die am markantesten wirksame Kraft betrachtet.

 

Pluto steht für die Kräfte des Untergrunds, die Sub- und Gegenkultur, er bedarf eines „Boten“ wie Merkur, der die Nachrichten der Unterwelt zugänglich macht. Merkur seinerseits als Informant und Vermittler ist auf  Themen des „Milieus“ angewiesen. Wenn in unserem eigenen Horoskop Merkur betont steht und wir neugierig auf Veränderungen sind, dann werden wir immer auch das Prinzip des Pluto suchen müssen, das die langen, dunklen Urgründe bewahrt. Das Planetenpaar Merkur und Pluto ist aus mehreren Gründen nicht leicht zu greifen. Zum einen liegt das daran, dass beide Planeten als einziges Pärchen nicht nebeneinander im Tierkreis liegen, sondern in ihrer Regentschaft ein Quincunx zwischen Zwilling und Skorpion bilden. Zum anderen ist jeweils nur ein Nebenregent dieser beiden Zeichen ein Hauptplanet, im Zwilling ist es der Uranus und im Skorpion der Neptun.

 

Es gibt dialektisch natürlich die Möglichkeit vieler anderer Kombinationen und Einbeziehung anderer Himmelsobjekte. So wird etwa der Kleinplant Juno gerne mit dem Prinzip des Stieres in Verbindung gebracht und der neue Planet Isis mit der Jungfrau. Man könnte auch viele andere Formen von Dichotomien und Komplementären konstruieren. Lilith und Chiron haben sich nun aber durchgesetzt in der westlichen Deutung und beide haben auch einen starken Bezug zu den neuen, gesellschaftlichen Bewegungen, zu Mitbestimmung und freier Sexualität, Solidarität und Nachhaltigkeit, wie sie für die Zeichen Jungfrau und Waage typisch sind. Die „Wirkung“ eines Planeten ergibt sich wie schon gesagt aus seinen Bezügen zum Tierkreis, zu seinen Antipoden und komplementären Ergänzungen. Die Liebe der Venus ist deshalb interpretierbar, weil in unserer Vorstellung ein Sturm und Drang des Mars automatisch mitschwingt und ein Gegenpol von Plutos (Skorpion Opposition Stier) untergründigen Machtspielen. So entsteht die Bedeutung Liliths (Mitbestimmung, Emanzipation, Kooperation) auf institutioneller Ebene aus der Ergänzung zu den Eigenschaften Chirons (Objektivität, Komplexität, Einfluss). Jede Organisation braucht einen rationalen Aufbau, aber auch Möglichkeit der menschlichen Begegnung. Liliths Bedeutung erwächst aber auch aus der Opposition zu Mars (Waage/Widder). Ihr Prinzip entsteht in diesen Gegensätzen. Sie stellt die besonnene und gerechtigkeitssuchende Antipode zum Krieger dar.

 

 


[1] Michael Roscher, dessen „Regelkreise“ ich sehr schätze, hat allerdings Neptun und Pluto als Komplementärplaneten genommen ohne die Symmetrie der nachbarlichen Nähe der Komplementäre zu erkennen.