Am Anfang war....

Um sich dem astrologischen Weltbild zu nähern, lohnt sich ein Blick in die "Gründerzeit". Die Astrologie gehört zu den ältesten wissenschaftlichen Instrumenten, die der Mensch entwickelt hat. Wenn man von Astrologie sprach, dann meinte man natürlich immer auch die Astronomie mit. Eine Trennung zwischen Beiden vollzog sich erst im späten Mittelalter. Im Wort Astrologie steckt der Logos, der Geist der Logik und der Zahlen. Mit der Entwicklung der Mathematik trennte sich der Mensch weiter von der "Einheit mit der Natur" und dem, was wir poetisch als naturgegebene Schöpfung bezeichnen würden und begann seine Welt in selbstgeschaffene Kategorien aufzuteilen. Entwicklungsgeschichtlich ging dieser Schritt mit der Sesshaftwerdung einher, Lagerhaltung, Warentausch, Seereisen etc. machten Berechnungen und Organisation in größerem Umfang notwendig. Doch das Leben besaß weiterhin eine mythopoetische Ebene, auf der auch das Spiel mit den Zahlen in okkulter, magischer Weise betrieben wurde. Dadurch wurde auch die Astrologie/Astronomie verändert.

 

Das Fach Astrologie war durch die Jahrtausende einem "beständigen Wandel" unterworfen. Mal war es eine angesehene Spezialwissenschaft, die den größten Geistern am königlichen Hof vorbehalten war (15. und 16. Jahrhundert), mal war es eine Quelle von Aberglaube und undurchsichtiger Geldmacherei (römisches Reich). Die Blütezeit der Astrologie war das frühe Mittelalter beginnend z.B. mit Hildegard von Bingen und Thomas von Aquin, die aus den Büchern der Araber das Wissen der Griechen wieder erlernten. Neben der Geomantie, Alchemie, Harmonielehre und der Heilkunde war das Erforschen der Sterne die anspruchsvollste "Kunst", die ein Student lernen konnte, wenn er sich über die trockene Mathematik und Linguistik hinaus auch mit Psychologie beschäftigen wollte. Durch die Zusammenwirkung von Kirche und Wissenschaft kam es zu einer Verdrängung von Weisheitslehren und Esoterik. Mit der Anbindung an psychologische Techniken besserte sich der Ruf der Astrologie; sie etabliert sich seitdem als bewährte Methode der Diagnostik, lösungsorientierten Kurzberatung und Lebenshilfe allgmein.


In anderen Kulturen wie der mexikanischen oder indischen, gehören die "alten Fächer" auch heute noch zur Grundausbildung von Ärzten und Heilkundigen.  Es besteht eine Anbindung an jahrtausende alte Traditionen der Körperpflege und Menschenkenntnis, der Lehre der Elemente und Archetypen, der kosmischen Zyklen und der Verbindung zwischen Natur und Mensch. Griechen, Phönizier, Sumerer, Kelten, Kirkisen, Khmer, Semiten, Aramäer, Perser, Babylonier, Ägypter, Inder, Chinesen, Atzteken, Mayas und andere haben ihre eigene Geschichtsschreibung, Forschung und Spezialisierung auf dem Gebiet des urspünglichen Wissens, unsere eigene westliche Geschichte ist uns weniger präsent. Aus dem Pool der Märchen, Mythen, Philosophien, Denkansätzen, Geheimwissen, Rätseln und Gleichnissen versucht die moderne Astrologie einen wissenschaftlich begründbaren Ansatz für Symbole der Kommunikation und Sinnfindung im Leben zu liefern.


In der westlichen Kultur ist der Körper zugunsten des Geistes zurückgestellt worden. Wir verehren den Intellekt und Logos nach griechischem Vorbild. So viele Gründe auch dafür sprechen mögen, den Geist als die "erste Instanz"  zu werten - es ist doch ein Verlust von Kultur, vor allem weiblicher Intuition damit verbunden und eine der Ursachen von Zivilisationskrankheiten und Glaubenskriegen mag in der unbefriedigten Sehnsucht des Menschen nach dem Unerklärlichen, Übersinnlichen sein. Vor allem Männer leiden unter der Ratio, die ihren Alltag dirigiert und dem Leistungssystem, dass Unterwerfung und bedingungslose Anpassung unter das Dogma der Vernunft fordert. Gleichzeitig wächst die Erkenntnis über die Funktion dieses Heilenden und die Fächer Psychologie und Soziologie nehmen spirituelles Wissen aus anderen Zeiten und Kulturen langsam wieder auf, immer in Konflikt mit dem rational-wissenschaftlichen Weltbild.  Anstöße und Anregungen auf Politik, Wirtschaft und Religion sind wichtig und durchdringen in individueller Form die Vorstellungen der industriealsierten und konsumorientierten Massengesellschaft. Die moderne Astrologie stützte sich auf diese soziologischen und psychologischen Erklennstnisse, sie verpflichtet sich den Ideen der westlichen, humanistischen Psychologie, der empathischen Gesprächsführung und der systemischen Theorien. Stark beeinflusst und gegenseitig befruchtet hat sich die Astrologie auch mit der Psychoanalyse, deren Inhalte sich besonder bei Jung an alte, astrologische, mythologische, naturphilosophische und kabbalistische Inhalte anlehnten. Der letzte Lehrstuhl in Deutschland für Astrologie wurde im 18. Jahrhundert geschlossen, in derselben Zeit, als die Psychologie und die Sozialwissenschaften ihre Geburt erlebten. Die Lehren der Psychoanalyse von Freund, Jung, Adler u.a. lassen sich auf astrologische, alchemistische und kabbalistische Grundlagen zurückführen. Freud, der Begründer der modernen Psychologie, bezeichnete die Traumdeutung als die Via Regia, die Königsstrasse zur Erkennung der eigenen psychischen Dynamik. Sein Modell der 3 Schichten der Psyche ist z.B. unschwer in der alten Analogie zu Sonne=Über-Ich, Mond=Unbewusstes und Erde=Ich zu erkennen. Doch Astrologie ist keine Therapie. Sie ist eher ein Mittel zur Selbstanalyse und systematischen Beobachtung der Lebenslinie im sozialen Umfeld, der Bedingungen, denen wir durch die Nutzung der Sprache unterworfen sind und die Analyse von Mechanismen selbsterfüllender Prophezeiungen, Glaubenssätzen und illusionären Vorstellungen über die Zukunft.

 

Die moderne Astrologie liefert eine Symbolsprache, ein System der Metakommunikation, das unsere tiefsten Bereiche des Unbewussten anspricht und gleichzeitig rational analysierbar ist. Wir können noch mehr lernen, unsere Welt aktiv und kreativ auch um unsere irrationalen Gefühle und Gedanken zu gestalten, um den Veränderungen in uns und auf dem Planeten gerecht zu werden und uns als Medium, als Resonator des Geschehens zu begreifen, ein Werkzeug göttlicher Kräfte, dass dazu benützt werden will, etwas sinnvolles zu erschaffen, auch wenn die Krisen der Gegenwart jegliches Philosophieren zu verbieten scheinen. 


Auch die moderne Astrologie hat genauso wie die klassische Astrologie einen Sinn gebenden Aspekt und Anspruch, denn der Sinn ist das Medium zwischen uns und der Welt, wir sind nur, indem wir sinnvoll handeln und dazu müssen wir unseren persönlichen Anteil in dieser Welt entwickeln. Das Internet bietet die Chance, eine Bibliothek für die Zukunft der Menschheit zu schaffen, fernab von rein wirtschaftlichen und politischen Interessen. Die Forschung kann direkt in die Ausbildung einfließen und die Wissensschätze ordnen helfen. Menschen, die sich ausführlich mit Astrologie beschäftigt haben waren John Dee, Guido Bonatti, Al Biruni, Hermes Trismegistos, Philipp Melanchthon, Johann Kepler, Wolfgang Goethe, Arthur Schopenhauer, Morinus, Placidus, Cardanus, Ptolomäus, William Lilly, Cornelius Agrippa, Paracelsus, Marsilio Ficino, Giordano Bruno, William Shakespeare, Albertus Magnus, Regiomontanus, Porphyrus, Alcabitius, Ernst Jünger, Roberto Assagioli, C.G. Jung, Peter Sloterdijk, Wilhelm Reich, Fritz Riemann, Schulz v. Thun, Ken Wilber, und viele, viele andere.

Liste von Astrologen aus der Geschichte von Christian Birkner


Die Symbole der Astrologie stammen noch aus der Zeit, als Schöpfungsmythen, Religion und Macht nicht voneinander getrennt waren. Das Erleben der Naturkräfte war noch unmittelbar und die Götter "lebendig". Die Menschen lebten in Stammesform und ihr Weltbild richtete sich größtenteils aus dem familiären Clan ab. Die damit verbundenen Implikationen für psychologische Wissen wurden im Laufe der patriarchalisch ausgerichteten Wissenschaften verdrängt oder bewusst verkehrt. Durch die Herausstellung des Logos praktisch aller größeren Religionen unserer Zeit ist ein Konflikt zwischen unserem Denken und unserem Fühlen entstanden, der nur durch die Begegnung mit dem ursprünglichen Mythos geheilt werden kann und eine gemeinsame, spirituelle Ausrichtung aller Menschen und Wesen auf diesem Planeten möglich macht. 


Die "Sternenlogik" sagt, dass die Rhythmen des Kosmos mit denen des menschlichen Lebens übereinstimmen. Unser Charakter bestimmt sich aus der Zeit, in der wir geboren wurden und den in ihr herrschenden Konstellationen. Typisches Beispiel hierfür der babylonische Staat, in dem Astrologie eine Religion war, bzw. die Planeten den herrschenden Gottheiten zugestellt, so wie in Ägypten und in Griechenland später auch. Nr.1 war der Mars, der Kriegsgott und seine Farbe war das Rot, Nr. 2 die Venus und ihre Verführungskraft usw.


Doch so augenscheinlich diese Vergleiche auch sind, Ausgangspunkt für die Astronomie war die frühere matrilineare Gesellschaft. An dem Zeitpunkt, wo immer mehr Clans sesshaft wurden, änderte sich das Rollenverständnis innerhalb der Familie. Die Frau hütete nun mehr denn je zuvor den "Innenbereich", Hof und Felder, während der Mann weiterhin für die Jagd zuständig war, aber auch für den Handel (Günther Dux). Durch diese Trennung verstärkte sich der schon vorhandene Unterschied zwischen den Geschlechtern. Die Frau war mehr mit der "Materie" beschäftigt, der Behütung des Bestands und den Alten und den Kindern, während der Mann die Außenkontakte pflegte und Zeit hatte, sich mit "Geistigen" Dingen zu beschäftigen. Das hatte er insofern auch nötig, als seine innere Distanz zu dem Geschehen innerhalb der Familie zunahm. Wir können dieses Geschehen nicht mit unseren heutigen Augen kaum begreifen. Damals gab es kein Kino, in dem man sich zerstreuen, keine Bücher, die man mit ins Bett nehmen, keine Universitäten, auf denen man seinen Titel erringen konnte. Der Großteil des sozialen Geschehens spielte sich innerhalb des Clans ab und von diesem war der Mann zunehmend getrennt. Nun wäre diese Tatsache allein noch kein Grund zu Beunruhigung, denn immerhin entwickelten sich durch den Fortschritt ungeahnte Möglichkeiten der Produktivität für den Mann. Städte wurden konstruiert und gebaut, Tempel- und Versammlungsanlagen, durch die Schifffahrt erschlossen sich neue Kontinente usw. und so entstanden auch die "okkulten" Wissenschaften, wie sie in ausschließlich von Männern Geheimorden und Bünden gepflegt und weitergegeben wurden, aus denen sich die modernen Religionen entwickelten.


Im Zentrum aller monotheistischen Glaubensformen steht ein männlicher Gott und die Synthese der Trinität zwischen Körper, Seele und Geist, bzw. die Erlösung vom rein materiellen Leidensszustand. Vom Körper lässt sich auf den Geist schließen, vom Geist auf die Seele und von der Seele wieder auf den Körper. Diese Analogien finden sich in der Entwicklungsmythen des Menschen wieder. In ersten Lebensabschnitt zählen die körperlichen Eigenschaften, der Mut und die Stärke, die sich durchsetzen. Im zweiten Lebensabschnitt sind es die geistigen Qualitäten, die zählen. Intelligenz und Geschicklichkeit ersetzen rein körperliche Kraft. Im letzten Drittel dann überwiegen die seelischen Qualitäten im Leben des Menschen.Bei vielen Naturreligionen, auch bei den gallisch-keltisch-germanischen finden wir diese Qualitäten in Form der drei Schicksalsgöttinen dargestellt. Auch in den Märchen, die uns aus diesen Zeiten überliefert sind, tauchen immer wieder die Entwicklungsschritte auf. Durch die Arbeiten von Heide Göttner-Abendroth sind wir in jüngster Zeit wieder darauf aufmerksam geworden, dass unsere Märchen die Mythen der Vorzeit repräsentieren und das Wissen unserer Urkultur in verschlüsselter Form bewahren. Im Ursprung sind Frau und Mann gleichberechtigt gewesen und haben sich die Aufgaben in Ansehen ihrer persönlichen Fähigkeiten und Interessen geteilt. Doch mit der Aufteilung zwischen "Innenraum" und "Außenwelt" kam es zu einem Ungleichgewicht. Die Frau zog sich in dem Maße in ihre Gefühlswelt zurück, wie der Mann anfing, seinen Geist zu entwickeln. Daraus resultierend war es nur eine Frage der Zeit, bis die Religion zu einer Institution der patriarchalischen Übermacht wurde und das "Gesetz" nunmehr Teil eines "Systems" wurde. Die großen "achsenzeitlichen" Denksysteme (Eisenstadt), die sich in dem 1. Jahrtausend v.Chr. entwickelten, schufen ein System, dass quer zu den Regeln der Stammeskulturen stand und alle späteren Kulturen und Weltreligionen beeinflussten.


Bis zu diesem Zeitpunkt war das Gesetz ein ungeschriebenes Recht, dass sich aus der Erfahrung des Zusammenlebens ergab. Jedes Volk hatte seine eigenen Riten, Rituale und Gesetze. Bei jedem Volk war die Erbfolge anders geregelt, die Aufteilung des Gemeinschaftsgutes, der Zeitpunkt der Initiationen und der Umgang mit "Vergehen und Verfehlungen". Und natürlich wurde der "Götterhimmel" zu diesem Zweck auch umgebaut. Die Griechen waren in diesem Sinne nicht nur die Meister der Logos, sondern auch die Meister des patrarchalischen Organisationsdranges. Die "Polis" wurde allein von Männern regiert und es ist leicht nachzuvollziehen, dass besonders die Frauen in den Städten unter dieser Entwicklung zu leiden hatten. Noch waren die alten Mysterien ja lebendig, es gab die eleusinischen Mysterien, die Göttinnenkulte und die Priesterinnen, die das das "Innerste" hüten sollten.


Aus römischer Zeit stammen die ersten individuellen Horoskope, der julianische Kalender und die 7 Planeten, wie wir sie heute noch kennen. Sieben waren es schon in Babylon, die den Himmel in 360° (=12x30) teilten und den Tag in 24 Stunden, unter ihnen nur eine einzige weibliche "Gottheit" die Venus, in zweifacher Form, als lieblicher Abendstern und Unheil bringender Luzifer des Morgens. Und 12 Zeichen hatte auch der keltisch-gallische Tyr-Kreis. Die "Astro-Logik" wurde in die "achsenzeitlichen Religionen" eingebaut. So wie die Kirchen auf den geomantischen Plätzen der alten Kultorte gebaut wurde, wurden die Sternenmythen in die Lithurgie eingebaut. Der Mann hatte mit Hilfe des Symbolsystems den Raum der weiblichen Schöpfungskraft errungen und ihre Geheimnisse dazu verwendet, einen neuen Schöpfungsraum zu bauen, in dem der "Christos", der Erlöser die wichtigste Funktion hatte und die Astrologie vor allem Zahl und Matrix und nicht mehr Bild und Schöpfung war.


Doch im Volk hielten sich noch lange die Märchen und Mythen der Vergangenheit, die Weisheit um energetische Plätze und psychologische Feinheiten. Dort war die Astrologie lebendig, vor allem die beseelenden Elemente und die animistische Kraft des Mondes. In der heutigen Zeit erleben wir wieder ein Zusammenkommen der Sophia, der weiblichen gefühlten Weisheit und des Logos, des männlichen Verstandes in Form von alternativen Lebensformen, Heilpraxis, Gleichberechtigung, Mitbestimmung und Toleranz gegenüber allen Lebensformen. Die "chymischen Hochzeit", in der Vermählung der Elemente, der Stein der Weisen und der Kessel der Unsterblichkeit sind Symbole der Auferstehung des Geistes auch in den alten Ritualen. Wenn die richtigen Elemente zur richtigen Zeit zusammenkommen, kann die heilige Hochzeit vollzogen werden. Solange wir in einer einseitigen Weise unseren Verstand in den Vordergrund stellen und die Gefühle unterdrücken, nützt uns rein rational betriebene Astrologie nicht viel. Erst wenn die alten Bilder auferstehen und für unser Leben wertvoll werden, können wir aus ihrer Weisheit schöpfen.