Persönlichkeitsmerkmale

Kapitel aus "Soziale Archetypen - Planetenmatrix entschlüssel" 2. Auflage 2017

 

Auf der Basis von Listen mit Begriffen ergaben Faktorenanalysen in den letzten 50 Jahren immer wieder fünf sehr stabile, unabhängige und weitgehend kulturstabile Typen.[1] Doch wie ordnen sich die in der Forschung gefundenen fünf Haupteigenschaften den Planeten zu? Es gibt dazu verschiedene Möglichkeiten, die noch abschließend zu klären wären.[2] Dazu müsste man Horokopdaten mit verschiedenen Persönlichkeitstests abgleichen. Ich versuche, die mir zunächst am plausibelsten erscheinende Ordnung hier darzustellen. Der Typus Extrovertiertheit entspricht für mich ziemlich eindeutig dem, was Astrologen in den Eigenschaften von Sonne und Uranus finden (aktivste Planeten), die Verträglichkeit spiegelt die Merkmale von Venus und Mond (passivste Planeten). Das Item Offenheit lässt sich sehr gut mit dem in Übereinstimmung bringen, was wir Astrologen klassisch dem Planeten Jupiter beimessen, aber auch dem neueren Wirkpunkt Lilith. Und die Gewissenhaftigkeit ist sowohl dem Merkur als auch dem Saturn zueigen, wobei dem Merkur in seiner negativen Eigenschaft gerne auch das Gegenteil bescheinigt wird.[3] Menschen mit Merkur/Saturn Aspekten gelten allerdings als die schärfsten Denker und klarsten Analysierer. Dies wäre allerdings, wie gesagt, alles ausführlich zu überprüfen.

Die Forschung an den Eigenschaften der ‚Big Five‘ hat eine lange Geschichte. Sie werden seit nunmehr über 90 Jahren systematisch erforscht.[4] Lewis Goldberg etwa reduzierte die Ausgangsliste von Eigenschaften in mehreren Schritten der Klassifikation und Beurteilung durch Studenten zu 339 Adjektiven, die in 100 Gruppen fast synonymer Worte klassifiziert wurden.[5]  Die erste systematische Zusammenstellung lexikalischer Ausgangsdaten stammt von 1936 und von Gordon Allport und Henry Sebastian Odbert, die die ca. 550.000 Worte von Webster‘s New International Dictionary nach Adjektiven, Partizipien und Substantiven durchsuchten, die Persönlichkeitsdispositionen bezeichneten. An dieser Liste setzten verschiedene Reduktionsverfahren zur Gewinnung von Eingangsdaten für Faktorenanalysen an.[6] Sprache scheint bei der Vermittlung des Verhaltens essentiell und so beruhen die Ergebnisse nicht nur auf Fremdeinschätzungen, sondern auch auf Selbstbeurteilungen. Zur Findung wird ein Normwert jeder der fünf Eigenschaften gebildet und sie Abweichung von diesem nach oben oder unten gemessen. Personen mit einer hohen oder niedrigen Ausprägung in einem der Faktoren weisen aber nicht zwingend alle Merkmale auf, welche für die Skala charakterisierend sind.

In der Jugend können die Verhaltensmerkmale noch stark schwanken. Erst nach dem 30. Lebensjahr, wenn auch das soziale Umfeld sich stabilisiert, bleiben die Werte weitgehend konstant. Doch auch dann finden noch Veränderungen aufgrund prägender Lebensereignisse statt. Besonders im Rentenalter ergibt sich häufig noch einmal eine signifikante Umpolung und bisher schwach erschienene Persönlichkeitsanteile werden sichtbar. Deutliche Steigerungen ergeben sich für Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit. Die Werte für Offenheit nehmen im Alter ab, wobei es hier stark geschlechtsbedingte Unterschiede gibt.[7] Auch die Erwartung an das zu erreichende Lebensalter spielte eine Rolle, allerdings stark abhängig vom Typus. Es braucht also eine individuelle Ausertung der statistisch durch die Norm gefundenen Ergebnisse.

 

Bei der folgenden Zuteilung sollten wir im Kopf behalten, dass wie im letzten Kapitel gezeigt, Jupiter kein typischer Feuerplanet (sondern Luft), Venus kein typischer Erdplanet (sondern Wasser), Pluto kein typischer Wasserplanet (sondern Erde) und Uranus kein typischer Luftplanet (sondern Feuer) ist. Trotzdem wollen wir die Kategorien der ‚alten Elemente‘ beibehalten, weil sie schon klassisch als Typen beschrieben worden sind, die den heutigen ‚Big Five‘ sehr nahe kommen. Es ist etwas unglücklich, dass für die Elemente im Horoskop dieselben Namen vergeben worden sind. Die chinesische Astrologie kommt mit ihren fünf Elementen der ‚Sache der Big Five‘ schon wesentlich näher.

 

Sonne und Uranus stehen in meinem jetzigen Vorschlag weiter für den ersten Prototypus der ‚Big Five‘, der Extraversion.[8] Sie sind die wichtigsten Vertreter der Elementargruppe der dynamischen ‚Feuer‘-Zeichen, das klassisches Merkmal für ‚Begeisterungfähigkeit‘ ist (wie die Eigenschaft der Extraversion auch manchmal genannt wird). Wo sie im Horoksop betont sind, wie bei C. G. Jung, der diese Eigenschaft auch du den drei wichtigsten zählte, da fällt es einem Menschen nicht schwer, seine Persönlichkeit in den Vordergrund zu stellen. Der Planet Uranus ist also weniger durch sein luftiges Element ausgezeichnet, als durch seine direkte und expressive Art. Venus und Mond stehen nun für Typus der Verträglichkeit. Sie kommen aus den wässrigen Neigungszeichen. Auch hier nimmt die Venus einen anderen Part ein, als ihr nach ihrem Element Erde zukommt. Sie ist mit dem Mond zusammen der Prototypus des Beziehungstypus, der für andere zurücksteht und dem es nur gutgeht, wenn es dem anderen auch gutgeht.

 

Wir würden auch Mars als typischen Feuerplaneten und Neptun als typischen Wasserplaneten sehen. Doch sie bilden zusammen eine dritte Gruppe, die in den ‚Big Five‘ nicht auftaucht, weil sie nicht eindeutig belegt werden kann. Es gibt allerdings eine weitere Eigenschaft, die in den Testes eine hohe Korrelation erzielt - das Bedürfnis nach Einfluss und Macht. Es würde gut zu den beiden Planeten Mars und Neptun passen, wenn man unterstellt, dass Neptun seinem Ruf als heimlicher Strippenzieher öfters gerecht werden würde.[9] Wir erleben es häufiger in der Beratung, dass ‚Marsianer‘ und ‚Widder‘ nicht die ‚artypischen‘ Verhaltensmerkmale zeigen, die wir ihnen zuweisen wollen. Dies liegt daran, dass reine Aktionspotentiale, wie sie durch Mars angezeigt sind, sich selten in direkter Weise verwirklichen lassen. Sie müssen in einen kulturell akzeptieren, ‚verträglichen‘ Rahmen gesetzt werden. Ähnliches gilt für die ‚spirituellen Führungs-Eigenschaften‘ von Neptun. Sie können nur auf eine gewissermaßen ‚verkleidete‘ Art gezeigt werden.[10]

 

 

 

Big Five

 Planet

Element

Temperament

Suchen

Zeichen

 Rollen

Rollen

ebene

  Extraversion

Sonne

Feuer

Choleriker

Zwilling

Skorpion

Leitbild[11]

Medien

Uranus

Entwickler

Verträglickeit

Mond

Wasser

Phlegmatiker

Wassermann

Fische

Versorger

Gruppen

Venus

Muse

Offenheit

Lilith

Luft

Sanguiniker

Krebs

Löwe

Vermittler

Autorität

Jupiter

Förderer

Stabilität

Chiron

Erde

Melancholiker

Widder

Stier

Denker

Geschlecht

Pluto

Gatekeeper

Gewissenhaft.

Merkur

Erde/Luft

Quinta Essentia

Jungfrau

Waage

Bote

Diskurs

Saturn

Bewahrer

 

Mars

Neptun

 

Schütze

Steinbock

Aktivist

Bystander

Milieu

 

Die Eigenschaft der Offenheit ist wieder ziemlich deutlich auf astrologische Modelle übertragbar. Wir finden hier die beiden Planeten Lilith und Jupiter, die den typisch sanguinen Typus in der Astrologie verkörpern. Lilith als Regentin über die Waage liebt es, sich nicht festzulegen und sich alle Wege offen zu halten, ebenso Jupiter als Regent über den Schützen. Es gibt für beide zuviel zu entdecken, als dass sie sich im Vorhinein einschränken wollen. Ihre Merkmale sind Toleranz und das Leben von Vielfalt und nehmen im Alter bei Männern tendenziell ab. Ganz anders verhalten sich Chiron und Pluto. Sie stehen im Gegensatz zu den Luftqualitäten für Bodenständigkeit, Verpflichtung und Ordnung. So wie Feuer (Extraversion) und Wasser (Verträglichkeit) sich gegenüberstehen, so stehen sich auch Luft (Offenheit) und Erde (Neurotizismus/Bedürfnis nach Stabilität) gegenüber. Diese zusätzliche Dimension hatte schon C.G. Jung in seinem Aufbau von Denken vs Fühlen und Empfinden vs Intuition gesehen, dessen Aufbau im Forschungsbereich der Sozionik weiterverfolgt wurde.[12]

 

Aus dem Aufbau der Dichotomien ergibt sich, dass jedes Big Five-Ppaar zu einem dualen Paar und seiner ensprechenden Dualrollenebene neigt, bei dem es sich besonders gut entwicklen kann.[13] Wenn der entsprechende Planet in einem Haus oder einem Zeichen steht, das diesen Planeten entspricht, dann wird er gestärkt. So ergibt sich quasi der Deutungsfaden allein, denn so ‚suchen‘ jeweils zwei unserer Big Five-Planeten aus der sich ergebenden Symmetrie nach demselben Umfeld – allerdings auf unterschiedliche Weise. Die Venus ‘sucht’ beispielsweise gerne nach einem Uranus/Neptun Umfeld, genauso wie der Mond, ihr Gegenkorrespondent auch. Sie fühlen sich wohl in derartigen Gruppenenergien. Wenn Venus oder Mond in ein von Uranus oder Neptun dominiertes Zeichen oder Haus fallen (Wassermann/Fische), können sie ihre Qualitäten eines zufriedenen Lebens am besten verwirklichen, weil sie durch sie Gruppenbindung erfahren, wo sich persönliche Anliegen am besten gestalten lassen. Zur Erhöhung der Verträglichkeit setzt die die Venus ihren Charme für ein gutes Gruppenklima ein, während es dem Mondtypus mehr um die Vertiefung von Nähe und Geborgenheit geht. 

 

Die fünf Attribute der ‚Big Five‘ bilden den Ausgangspunkt der Deutung im Horoskop, wie wir am Beispiel von C.G. Jung sehen werden. Zwei von ihnen kommt jeweils eine besondere Gewichtung zu; dem Stärksten und dem Schwächsten.[14] So kommt die Deutung von den entsprechenden Planeten ähnlich einer Dispositorenverknüpfung auf immer neuen Pfaden weiter. Die ‘Big Five’ sind der Mittler zwischen empirisch gefundenen Eigenschaften von Menschen und durch die Sprachdichotomien bedingte Wertzuweisungen zu Rollen. Die Tugenden, die wir mit bestimmten Archetypen verbinden, zwingen uns in bestimmte Handlungsstrukturen. Wir sind frei, die Rolle zu wählen, aber wir sind nicht frei darin, diese Rolle dann so auszufüllen, dass sie anerkannt wird. Ein Wissenschaftler muss gewissenhaft arbeiten, ein Anführer sollte expressiv, aber gerecht urteilen, ein Versorger mitfühlend und selbstzufrieden und ein Politiker oder andere öffentliche Autoritätspersonen offen sein.

 

Durch die Darstellung von Wertmaßstäben entsprechend der Rollen sind wir für die Umwelt nicht nur berechenbar, sondern auch moralisches Vorbild, das in das Lage ist, Wertvorstellungen zu aktualisieren. Das Horoskop gib uns Hinweise, wie sich diese Fähigkeit aus den Anlagen zu einer bestimmten Rollenwahl entwickeln lässt. Wenn C.G. Jung beispielsweise mit Sonne/Uranus (Löwesonne, Wassermann im 1. Haus) die Rolle eines extrovertierten Psychologen wählt, der sich mit der führenden Gruppe seiner Zeit anlegt, dann braucht er dafür untersützende Aspekte. Chiron/Pluto (Chiron als wichtigster Planet, Pluto als Regent über Lilith im Skorpion und Jupiter in Haus 8) geben ihm die nötige Stabilität und Bodenständigkeit. Zumal Sonne und Uranus in Bezug auf das Item Extrovertiertheit nicht gut gestellt sind (Auszählung siehe Anhang).[15]

 


[1] Bouchard & McGue, 2003. Genetic and environmental influences on human psychological differences. Journal of Neurobiology, 54, 4–45. doi:10.1002/neu.10160

[2] In der ersten Auflage ging ich von einer anderen Einordnung aus, die das Item ‚Zufriedenheit‘ als positive Gegenüberstellung des Begriffs Neurotizismus enthielt. Wenn man Neurotizismus oder Ängstlichkeit aber als Zurückhaltung und Bedürfnis nach Stabilität interpretiert, dann kann man hier auch einen eindeutig erscheinenden Bezug zu den Planeten Chiron (Jungfrau) und Pluto (Skorpion) herstellen, die in der astrologischen Literatur als sehr problematisch aber auch stabilisierend beschrieben werden.

[3] Die Eigenschaften sind ja immer Skaleneigenschaften von Gegenwerten. ‚Gemessen‘, bzw. selbst eingeschätzt wird auf einer Skala von extrem gewissenhaft bis extrem oberflächlich.

[4] Es gab allein in den letzten 20 Jahren 3000 Untersuchungen und Persönlichkeitstests.

[5] Lewis R. Goldberg, Personality Topics in Honor of Jerry S. Wiggins: A Special Issue of Multivariate Behavioral Research

[7] Specht, J., Egloff, B., & Schmukle, S. C. (2011). Stability and change of personality across the life course: The impact of age and major life events on mean-level and rank-order stability of the Big Five. Journal of Personality and Social Psychology, 101, 862-882.

[8] Sie weichen von der Regentschaft des Elements ab, die ein Planet im Horoskop hat, wie im letzten Kapitel gezeigt. Das kann zu Verwirrung führen. Besser wäre es, konsequent die Bezeichnung der Big Five oder klassischen Temperamente zu verwenden und die Elemente nur als übergeordnete ‚Bildungskonzepte‘ zu verstehen.

[9] https://www.zpid.de/pub/tests/PT_9006357_B5T_Forschungsbericht.pdf

[10] Planeten auf Zeichen- und Häuserwechseln können diese Qualität auch haben. Mars und Neptun regieren ja die Zeichen am Aszendenten, Widder und Fische.

[11] Die Sonne ist gewissermaßen ‚Leitbild aller Leitbilder‘, was ihrer Stellung im Zentrum des Planetensystems entspricht und leicht Probleme mit der Deutung verursacht, da alle Planeten ja Leitbilder sind.

[12] Siehe auch MBTI-Typenindikator im Anhang

[13] Siehe Andreas Bleeck, Astrologische Soziologie, Band II, Dualrollen, Synergia, 2017

[14] C.G. Jung selbst ging von einer Persönlichkeitsmatrix von vier Eigenschaften aus (Denken, Intuieren, Fühlen und Empfinden), die er jeweils in einer extrovertierten und einer introvertieren Form sah und die sich paarweise gegenüber standen. Im Prinzip ist dies eine Form der ‚Big Five‘, die auf alle weiteren Arten kombinierbar wäre. Jung dekliniert quasi nur die Eigenschaft Extraversion durch, die in seinem Horoskop auch die stärkste ist (Sonne im Löwen, Wassermann in Haus 1, Sonne/Uranus Konjunktion).  

[15] Extroversion und Bedürfnis nach Stabilität  als die zwei Hauptmerkmale in seinem Horoskop auszumachen, erfordert allerdings Erfahrung und Hinzunahme biographischer Hinweise. Es gibt keine simple ‚Rechenmethode‘, die uns dazu führt und damit auch immer andere Möglichkeiten der Interpretation.